(Foto: Tannenzapfenhaus Gengenbach_KaiserArch_© T.Riedel)
Im dritten Förderjahr nimmt Bauwerk Schwarzwald noch einmal richtig Fahrt auf
Seit nahezu drei Jahren gibt es den Verein – am 28. Juli 2020 fand in Titisee nach mehrjährigen Vorarbeiten die Gründungsversammlung von „Bauwerk Schwarzwald e.V.“, dem Kompetenzzentrum für Schwarzwälder Architektur, Handwerk und Design statt. Dabei übergab Landwirtschaftsminister Peter Hauk MdL einen Fördergutschein für die finanzielle Unterstützung der Initiative über drei Jahre hinweg durch das Land Baden-Württemberg an die neugewählten Vorstände Dr. Diana Wiedemann (1. Vors.), Stefan Kudermann (Stv.) und Adrian Probst (Stv.).
„Die Baukultur im Schwarzwald ist einmalig. Eng damit verknüpft ist auch das Handwerk mit seinem entsprechenden Know-How. Mit Bauwerk Schwarzwald haben wir endlich eine Organisation, die beides fördert, um das identitätsstiftende Gesicht des Schwarzwalds auch für die Zukunft zu bewahren“, fasst die Vorsitzende dessen Ziele zusammen. Darüber durfte sich auch Roland Schöttle, Geschäftsführer des Naturparks Südschwarzwald und geistiger Vater des Vereins freuen.
Doch was steht – einmal abgesehen von Bollenhut, Kuckucksuhr und Schwarzwälder Kirschtorte – eigentlich für das ‚identitätsstiftende Gesicht des Schwarzwalds’? … Richtig: Der Schwarzwaldhof. Ohne ihn wäre diese Kulturlandschaft schlicht nicht denkbar; entwickelte sich doch hier, angepasst an die örtlichen Rahmenbedingungen wie Klima, Relief und verfügbare Baustoffe, eine eigene Architektursprache und Kultur des Bauens, welche einerseits für die Bevölkerung identitäts- und heimatstiftend ist und andererseits die große Attraktivität der Schwarzwaldregion ausmacht.
Allerdings haben sich im Lauf der Zeit die Ansprüche an die Gebäude, Bauweisen und das Design geändert. Der allgemeine Baustil wurde immer beliebiger und regelrecht austauschbar. Und so stellte sich die Frage, wie sich das, was an charakteristischer Baukultur im Schwarzwald noch vorhanden ist, erhalten, weiterentwickeln oder umnutzen lässt: Der ideelle Grundstein für Bauwerk Schwarzwald war gelegt: Der Verein möchte dem Strukturwandel etwas entgegensetzen, indem er die regionsspezifische Bau- und Handwerkskultur fördert, Fachleuten eine Plattform und ein Netzwerk und nicht zuletzt Bauherren und Interessierten eine Anlaufstelle bietet. Diese befindet sich mit der Geschäftsstelle seit Februar 2021 in Titisee-Neustadt.
Schon kurz darauf konnte der Verein mit der Prämierung des geplanten „Zentrum Holzbau Schwarzwald“ (ZHS) beim Wettbewerb „RegioWIN 2030“ für sich einen ersten großen Erfolg verbuchen – als eines von insgesamt 38 Leuchtturmprojekten aus 11 Regionen, gefördert aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Weitere wichtige Aufgabengebiete hat sich Bauwerk Schwarzwald längst erarbeitet: Etwa die Gestaltungskommission, ein Netzwerk aus professionellen Ansprechpartner*innen, die sowohl private Bauherren als auch öffentliche Verwaltungen beraten, und zwar unabhängig und kostengünstig zu allen Themen rund um Neubau, Umbau und Sanierung im Schwarzwald. Mehr als 50 Beratungen wurden bereits in Anspruch genommen. Mit einer digitalen Veranstaltungsreihe, dem Bauwerk Talk, tritt der Verein im Abstand von sechs Wochen mit bau- und kulturrelevanten Themen des Schwarzwalds öffentlich in Erscheinung – und zwar mit stetig wachsender Teilnehmerzahl: In bisher 13 Veranstaltungen wurden mehr als 800 Teilnehmer gezählt.
Architekturroute wurde im Rahmen des Pressefrühstücks bei der CMT 2023 in Stuttgart offiziell vorgestellt – erste Ergebnisse auf Onlineplattform
Eine gesonderte Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Erstellung einer Architekturroute; einem der zentralsten Anliegen des Vereins überhaupt und bislang einzigartig in der gesamten Region. Diese soll – nach dem Vorbild Vorarlberg – durch ausgewählte vorbildliche Beispiele die regionale Baukultur sichtbar machen und so das öffentliche Bewusstsein für dieses außergewöhnliche Erbe schärfen. Auf diese Weise hofft der Verein einerseits Tradition zu erhalten, die sich andererseits zukünftigen innovativen Nutzungskonzepten gegenüber öffnet und auch zeitgemäße Architektur miteinschließt.
Am 17. Januar wurde die Architekturroute bei der CMT 2023 in Stuttgart erstmals öffentlich vorgestellt, der Startschuss ist somit gefallen. Entsprechend sind bereits erste Ergebnisse auf einer Onlineplattform zu sehen und in Kürze werden auch die restlichen der bislang knapp hundert Objekte dort sichtbar sein. Und es werden immer mehr werden, denn das Verfahren ist ein kontinuierliches. So können immer differenziertere Routen aus verschiedenen Kategorien zusammengestellt werden, u.a. wie ‚Neues Bauen im Schwarzwald’ oder ‚Alte Schwarzwaldhöfe’.
Wie viele solcher alten Schwarzwaldhöfe gibt es überhaupt noch? Die Denkmalliste ist nicht öffentlich einsehbar, eine zuverlässige Erfassung gibt es nicht. Geschätzte zehn Prozent der Höfe gelten als sanierungsbedürftig. Leider erscheint den Betroffenen von nicht denkmalgeschützten Gebäuden der Abriss oft als die praktikabelste Variante. Dies ist ein Problem, dem die Politik dringend – und sei es mit Fördermaßnahmen – begegnen müsste. Auch dafür setzt sich der Verein Bauwerk Schwarzwald ein. Mit der Handreichung „Schwarzwaldhöfe“, einer Art Ratgeber für private wie kommunale Bauherren, die der Verein gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalschutz (LAD) entwickelte, will er verhindern, dass auch weiterhin immer mehr historische Schwarzwaldhöfe von der Bildfläche verschwinden.
Hinter all diesen Maßnahmen steht natürlich die Idee, das gemeinsame Interesse der gesamten Schwarzwald-Region an ihrer Heimat zu bündeln und voranzubringen. „Dafür brauchen wir viele verschiedene Akteure. So etwas gelingt nur als breit angelegte Initiative“, erklärt der Initiator Roland Schöttle. Entsprechend breit ist das Spektrum an Mitgliedern: Unternehmen, Verbände und Initiativen, Privatpersonen, Kammern, Gebietskörperschaften, Kommunen und Land. Etwas mehr als 130 Mitglieder zählt der Verein aktuell und hofft weiterhin auf regen Zuwachs, vornehmlich aus den Reihen der Kommunen.
Leider ist auch im Handwerk bei den traditionellen Fertigkeiten immer mehr Schwund zu beklagen, die jedoch für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Schwarzwälder (Bau-)Kultur unabdingbar sind. So arbeitet der Verein aktuell an der Auslobung eines „Handwerk- und Design“-Preises, der bereits im Frühjahr 2023 ausgeschrieben werden soll.
Es sind demnach wichtige Themenfelder, denen sich der noch junge Verein Bauwerk Schwarzwald verschrieben hat. Mithin Bereiche, die längst einer Zuwendung bedurften, will man sie nicht dauerhaft verlieren. Der wichtige Stellenwert dieses Vereins ist somit evident. Und es bleibt zu hoffen, dass dies auch weiterhin von Politik und Gesellschaft so anerkannt und mitgetragen wird wie bisher.