(Foto: SCHN-leibgeding-31_┬®JohannesVogt)
Bollenhut, Kuckucksuhr und Schwarzwälder Kirschtorte – das sind allgemeinhin die Symbole, mit denen der Schwarzwald assoziiert wird. Und… richtig: Der Schwarzwaldhof. Denn ohne diesen wäre diese Kulturlandschaft nicht denkbar; entwickelte sich doch hier, angepasst an die örtlichen Rahmenbedingungen wie Klima, Relief und verfügbare Baustoffe, eine eigene Architektursprache und Kultur des Bauens, welche einerseits für die Bevölkerung identitäts- und heimatstiftend ist und andererseits die große Attraktivität der Schwarzwaldregion ausmacht.
Allerdings haben sich im Lauf der Zeit die Ansprüche an die Gebäude, Bauweisen und das Design geändert. Der allgemeine Baustil wurde immer beliebiger und regelrecht austauschbar. Und so stellte sich die Frage, wie sich das, was an charakteristischer Baukultur im Schwarzwald noch vorhanden ist, erhalten, weiterentwickeln oder umnutzen lässt: Der ideelle Grundstein für Bauwerk Schwarzwald war gelegt. Der Verein möchte dem Strukturwandel etwas entgegensetzen, indem er die regionsspezifische Bau- und Handwerkskultur fördert, Fachleuten eine Plattform und ein Netzwerk und nicht zuletzt Bauherren und Interessierten eine Anlaufstelle bietet.
Nach mehrjährigen Vorarbeiten fand am 28. Juli 2020 die Gründungsversammlung von „Bauwerk Schwarzwald e.V.“, dem Kompetenzzentrum für Schwarzwälder Architektur, Handwerk und Design, in Titisee statt. Dabei übergab Landwirtschaftsminister Peter Hauk MdL einen Fördergutschein für die finanzielle Unterstützung der Initiative über drei Jahre hinweg durch das Land Baden-Württemberg an die neugewählten Vorstände Dr. Diana Wiedemann (1. Vors.), Stefan Kudermann (Stv.) und Adrian Probst (Stv.).
„Die Baukultur im Schwarzwald ist einmalig. Eng damit verknüpft ist auch das Handwerk mit seinem entsprechenden Know-How. Mit Bauwerk Schwarzwald haben wir endlich eine Organisation, die beides fördert, um das identitätsstiftende Gesicht des Schwarzwalds auch für die Zukunft zu bewahren“, fasst die Vorsitzende dessen Ziele zusammen. Darüber durfte sich auch Roland Schöttle, Geschäftsführer des Naturparks Südschwarzwald und geistiger Vater des Vereins freuen.
Im Februar 2021 bezog Bauwerk Schwarzwald in Titisee-Neustadt seine eigenen Geschäftsräume. Schon kurz darauf konnte der Verein mit der Prämierung des geplanten „Zentrum Holzbau Schwarzwald“ (ZHS) beim Wettbewerb „RegioWIN 2030“ für sich einen ersten großen Erfolg verbuchen – als eines von insgesamt 38 Leuchtturmprojekten aus 11 Regionen, gefördert aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Die Förderung des ZHS beläuft sich auf insgesamt fünf Jahre. Der vorzeitige Maßnahmenbeginn ist gestellt und somit steht das Projekt vor seinem Start in die dritte Stufe.
Etliche weitere Meilensteine stehen auf der Agenda von Bauwerk Schwarzwald. Eine seiner Kernaufgaben sieht der Verein in der Gestaltungsberatung. Dieses Netzwerk professioneller Ansprechpartner*innen berät sowohl private Bauherren als auch öffentliche Verwaltungen, und zwar unabhängig und kostengünstig zu allen Themen rund um Neubau, Umbau und Sanierung im Schwarzwald.
Mit einer digitalen Veranstaltungsreihe, dem Bauwerk Talk, tritt der Verein im Abstand von sechs Wochen öffentlich in Erscheinung: Den Auftakt machte im Juni 2021 das Thema „Bausünden“. Mittlerweile kann der Verein auf neun weitere Talk-Veranstaltungen, u.a. mit den Themen „Regionale Baustoffe“, „Wald im Wandel“, „Architektur im Wettbewerb“, „Zukunft Handwerk“, „Altes Haus und Denkmalschutz“, „Ikone Eindachhof“, „Kunst und Design im Schwarzwald“, „Baugesetz“ und „Verbot der Anbindehaltung“ zurückblicken.
Die Hauptidee hinter all dem ist natürlich das gemeinsame Interesse der gesamten Schwarzwald-Region an ihrer Heimat zu bündeln und voranzubringen. „Dafür brauchen wir viele verschiedene Akteure. So etwas gelingt nur als breit angelegte Initiative“, erklärt der Initiator Roland Schöttle. Entsprechend breit ist das Spektrum der Mitglieder: Unternehmen, Verbände und Initiativen, Privatpersonen, Gebietskörperschaften, Kommunen und Land. Etwas mehr als 130 Mitglieder zählt der Verein aktuell und hofft weiterhin auf regen Zuwachs, vornehmlich aus den Reihen der Kommunen.
Eine gesonderte Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Erstellung einer Architekturroute. Diese soll – nach dem Vorbild Vorarlberg – durch ausgewählte vorbildliche Beispiele die regionale Baukultur sichtbar machen und so das öffentliche Bewusstsein für dieses außergewöhnliche Erbe schärfen. Auf diese Weise hofft der Verein einerseits Tradition zu erhalten, die sich andererseits zukünftigen innovativen Nutzungskonzepten gegenüber öffnet und auch zeitgemäße Architektur miteinschließt. Schon bald werden erste Ergebnisse mit bislang knapp hundert Objekten auf einer Onlineplattform zu sehen sein.
Doch wie viele solcher alten Schwarzwaldhöfe gibt es überhaupt noch? Die Denkmalliste ist nicht öffentlich einsehbar, es dürften aber zwischen 3.000 und 4.000 sein, davon sind rund ein Drittel sanierungsbedürftig. Leider erscheint den Betroffenen von nicht denkmalgeschützten Gebäuden der Abriss oft als die praktikabelste Variante. Dies ist ein Problem, dem die Politik dringend – und sei es mit Fördermaßnahmen – begegnen müsste. Auch dafür möchte sich der Verein Bauwerk Schwarzwald einsetzen. Eine Handreichung „Zukunft Schwarzwaldhöfe“, eine Art Ratgeber für private wie kommunale Bauherren, die der Verein gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalschutz (LAD) entwickelte, soll verhindern helfen, dass auch weiterhin die historischen Schwarzwaldhöfe von der Bildfläche verschwinden.